Donnerstag, 14. Dezember 2017

Kreative Lektüre – Handbuch Handlettering von Chris Campe

Heute beginnen wir unsere Reihe »Kreative Lektüre«. Was wäre ein anständiges Sutium ohne entsprechende Bücher? Die Idee dazu hatten wir schon länger und nahm nach diesem Post zum Thema Brush Lettering konkrete Gestalt an.


Das »Handbuch Handlettering« von Chris Campe ist im Frühjahr 2017 im Haupt Verlag erschienen: 160 Seiten – 23,8 x 26,6 cm – reich bebildert – 29,90 Euro

»Es geht darum, sich mit der Idee illustrativer Schrift vertraut zu machen und Schrift als erzählerisches Bild zu behandeln.«

Das Handbuch Handlettering fasst sich mit diesem Satz auf Seite 88 selbst zusammen. Statt mit optimierter Computerschrift zu visualisieren, zeichnet man beim Handlettering einzigartige Buchstaben, die dem Inhalt Ausdruck verleihen. 

Die Gestaltungslehre hat vor über 20 Jahren meine kreative Welt sehr sortiert. Sie ist für mich etwas paradiesisches. Allerdings finde ich dies in Büchern eher selten wieder. Und hier kommt die gute Nachricht: Wunderbar flechtet Chris Campe Basiswissen der Gestaltungslehre in ihr Buchwerk ein und wendet es konkret und detailreich auf die Schrift an. Obwohl ich zum Thema schon einiges intus habe, eröffnen sich mir hier neue Zusammenhänge. Ihr Tonfall ist persönlich, beschwingt und einladend. Ihre Formulierungen konkret und feinsinnig. Für Chris Campe ist Schriftgestaltung kein Geheimnis, um das man herumschleichen muss. Warum ich das erwähne? Weil es ja so viele Fachbücher gibt, die am Ende doch nicht verraten, wie man es jetzt aber wirklich macht. Oder sie überschütten einen mit Wissen, schrecken ab und lassen einen dann damit stehen.


Besonders gut gefällt mir an diesem modernen und zeitlosen Fachbuch, dass die Autorin ihre »eigene Sprache« spricht und aus dem Vollen schöpft. Denn Handlettering ist ihr Weg. Das Buch ist also nicht »nur« ein Projekt, sondern ein Konzentrat ihres bisherigen Schaffens und Denkens zum Thema. Hier wird nicht munter allgemeines Fachwissen zum x-ten Male neu aufgemacht. Im Lesefluss fühle ich mich nie gelangweilt. Und dabei ist es ein Fachbuch mit allem drum und dran! Es gibt freilich Ratschläge und Anleitungen, jedoch immer mit dem Ziel: selbstständiges Arbeiten zu fördern.

»Denn, wenn alles hervorgehoben wird, ist am Ende nichts mehr betont.«
(S. 34)

Campe kann auch streng sein, sie macht das sehr freundlich und glasklar. An vielen Stellen spricht sie es direkt an, z.B. dass Schrift zwar aussehen kann wie wer will, dass man jedoch nicht vergessen sollte, dass Schrift nicht nur kreativer Ausdruck ist, sondern, dass etwas mit ihr ausgesagt werden möchte. Damit spricht sie allen Designern aus der Seele.


Zu Beginn des Buches erklärt Campe die Begrifflichkeit: Typografie, Kalligrafie, Handlettering – und da musste ich mir eingestehen, war ich bisher nie so genau. Spätestens ab Kapitel 2 ist der Leser mit den Buchstaben per du, denn hier kommen wir diesen sehr nahe. Campe verwendet Begriffe aus der menschlichen Anatomie um Konstruktion und Struktur darzulegen. Hier kommt auch ein Funke Geschichte ins Spiel und ganz wichtig, etwas über Parameter. Parameter? Dieses Buch verliert nie den Blick auf die praktische Anwendung und Abwandlung. Schließlich möchte es uns zum Konstruieren von Schrift per Hand aufmuntern. Wenn wir also nicht einfach nur bestehende Alphabete abkupfern möchten, ist es wichtig zu wissen, wo am Buchstabenkörper die Stellschrauben sitzen, so Campe.


Das Buch begleitet uns also auf einem sehr spannenden Weg. Wenn wir wissen, wie Buchstaben ticken und was sie brauchen, um gut zu sein, können wir selbst kreativ sein und den Buchstaben etwas andichten. Ist es nicht ein schöner Gedanke, dass der Buchstabe zur Illustration wird? Er berichtet nicht nur über Inhalt, sondern er wird Teil des Inhaltes. Wir gestalten Schrift, die genau das auf dem Punkt bringt, was wir aussagen möchten. Und das nach allen Regeln der Kunst. Um diese Regeln zu brechen, so die Autorin, muss ich sie kennen. Im Buch untermalt sie dies immer wieder mit Beispielen. Am wertvollsten dürften hier die »Adams & Evas« der Alphabete sein. Verschiedene ABCs, die uns die Autorin als perfekte Ausgangsvariante oder Urversion ans Herz legt. Von diesen Schriften ausgehend lässt es sich gut schöpfen und gestalten. Wie, das wird genau beschrieben.

»Weißräume trennen Buchstaben, Wörter und Zeilen, sie verbinden sie aber auch.«
(S. 38)

»Schrift kommt von Schreiben«, so wird das 3 Kapitel eingeläutet, in dem es um »Brushpen Lettering« geht. In diesem Kapitel lernen wir alles, was wir brauchen, um modernes Brush Lettering zu betreiben. Wir befinden uns kurz vor der Mitte des Buches und erinnern uns, das Thema ist Handlettering, nicht Brush Lettering. Ja, das Buch holt weit aus, das stimmt, aber zu Recht. In welcher Verbindung das Schreiben per Pinsel zum Handlettering steht, wird freilich erklärt. Von der Pike auf, durchleben wir die Kunst des »Pinselgeschreibsel« über: Werkzeuge, Handhabungen, Grundstriche, Alphabet Vorlagen, Variationen, Verbindungen, Fehlersuche, Ausdruckskraft. Es ist sogar ein 21-Tage-Übungsplan im Buch enthalten, motivierend und narrativ eingebettet.


In hinteren Teil des Buches treffen nun diverse Handlungsstränge aufeinander. Und schnell wird klar, warum Chris Campe einige Kapitel vorgeschoben hat, bevor es ans Eingemachte gehen konnte. Wie findet unsere Idee – das, was wir aussagen möchten – die richtige Form? Wo und wie und womit fange ich an? Schritt für Schritt geht es weiter: Zeichentechnik, Entwurfsprozess, Layout, Reinzeichnung und vieles mehr, Selbstkritik und Fehlersuche können auf dem Weg helfen. Wir finden Übungen und Praxisbeispiele. Der Leser erhält Einblick in komplexe Aufgaben und Seitengestaltungen, die über Lifestyle-Brushlettering weit hinaus gehen.

Ist nun klar, für wen das Buch gut ist? Ein schönes, ansehnliches Buch mit Griff. Ein Schinken also, nichts für die Hosentasche. Mir gefällt das Schinkenformat, da es wunderbar mit all meinen anderen Fachbuch Schinken wechselspielen kann. In diesem Fall liegt die Bezeichnung »Handbuch« – im wahrsten Sinne des Wortes – auf der Hand. Und man braucht, so wie ich finde, viele Handbücher und Fachbücher, um sich seinem Lieblingsthema zu nähern.


Campe hat das Buch geschrieben und gestaltet, es ist aus einem Guss und klar gegliedert. Das Buch trägt zwar »Handlettering« im Titel, ist jedoch auch interessant für aktive und passive Liebhaber der Typografie, Kalligrafie, und Pinselgrafie. Auch Grafik-Designer dürften ihre Freude daran haben. Es eignet sich meiner Meinung nach sowohl für ein tiefes Schriftstudium, als auch für das gezielte Erlernen des Brush Letterings für die anstehende Weihnachtskarte. Oder sagen wir für die Osterkarte, somit würde das Buch auch unter dem Weihnachtsbaum sehr viel Sinn machen.

Ich freue mich über frischen Wind im Bücherregal!

Eure Tabea


-.-.-

Wie fand das Buch zu mir? Ich habe den Haupt Verlag angeschrieben und mein Interesse bekundet, woraufhin ich ein Rezensionsexemplar per Post erhalten habe. Vielen Dank!

6 Kommentare:

  1. Ich hab's schon und bin auch ganz begeistert. Und in Deinem Bücherregal entdecke ich noch so das Eine und Andere, das sich auch bei mir im Regal drängelt. Ein Hoch auf die Schriftkunst! Ganz herzlich, Eli

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  2. ja in all eure nücherregale würd ich gern mal einblicken ;o) ich frag mich gerade, wenn ich das nun so sehe, ob ich mal ein blick in meine kamera werfe ... könnten da fotos schärfer sein? sehr seltsam.

    die tabea grüßt

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  3. ich experimentiere ja zu gern mit meiner eigenen handschrift - schönschreiben, wildschreiben, perfektschreiben, wortlosschreiben... bisher sind kalligraphie- und handlettering an mir vorbeigezogen. mir erschien alles zu streng,zu perfekt, zu eng. und ich bin übungsfaul (ha,ha, das ist wahrscheinlichd der wahre grund!!). ich schau mal in der buchhandlung bei chris campe vorbei. vielleicht kann mich das buch ja überzeugen, mich mehr damit zu bechäftigen.
    liebe grüße, mano - und danke für den super geschriebenen und bebilderten beitrag.
    ps: ich finde meine fotos im blog auch immer unscharf!!

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    1. liebe mano, bei mir ist es ähnlich. ich liebe wilde und spontane handschrift. ich wäre super froh gewesen, so ein wissen über schrift, hätte ich mir im studium einverleiben können.da hat mich schriftkonstruktion sehr interessiert. jedoch 1995 waren natürlich alle extrem comuterorientiert. handlettering war überhaupt kein thema. ich kann mich sogar an eine arbeit von mir erinnern, da habe ich schrift und bild auf tabea-art per hand zusammengebracht und der prof meinte ungeduldig, wann ich den entwurf (der für mich das fertige werk war) denn digitalisieren würde. ich hab es dann tatsächlich versucht ;o) ging aber nicht, die schrift am rechner war einfach zu steif und unflexibel für mein vorhaben.
      ich werde auf jeden fall, wann auch immer, ein paar ideen realisieren wollen. es schwebt mir also was vor dem inneren auge ;o) vielleicht ein universalmix aus verschiedenen verschriftlichungstechniken ...

      die tabea grüßt

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  4. Eine ganz tolle Rezension, liebe Tabea, auch wenn ich selber das Thema derzeit gar nicht so auf der Agenda habe. Liebe Grüße Ghislana (die heute ein Foto für dich im Post hat ;-))

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  5. liebe tabea, vielen dank für deine so flutschige und interessante rezension. die macht laune aufs buch. ich bin übefaul gebe ich zu, und eher passive liebhaberin gekonnter typographie, lach. liebe grüße, eva

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